Was ist Glück, was ist Unglück
Ein Mann in China lebte mit seinem Sohn. Sie bewirtschafteten zusammen ein Gütlein und besassen ein einziges Pferd. Eines Morgens war das Pferd verschwunden, und die Nachbarn riefen: „Oioioi, was für ein Unglück!“ Der Bauer spreizte die Hände: „Weiss ich, was Glück ist, was Unglück!“ Nach ein paar Tagen kam das Pferd zu rück und brachte ein Wildpferd mit. „Oioioi“, riefen die Nachbarn, „was für ein Glück!“ Der Bauer spreizte wieder die Hände: „Weiss ich, was ist Glück, was ist Unglück!“ Der Sohn des Bauern wollte das neue Pferd zureiten; es bockte aber und warf ihn ab. Dabei brach er ein Bein. „Oioioi, was für ein Unglück!“ riefen die Nachbarn. Der Bauer sagte wieder: „Weiss ich, was ist Glück, was ist Unglück!“ Tags darauf kamen die Werber des Kaisers ins Dorf und trommelten die jungen Männer zusammen; der Kaiser brauchte Soldaten. Den Sohn des Bauern mit seinem gebrochenen Bein liessen sie da. „Weiss ich, was ist Glück, was ist Unglück“, murmelte der Bauer.
Elisabeth Schlumpf aus‚ Weise und naseweise Geschichten’